Was er kann, das kann er meisterhaft
Silent Angel baut einen Computer, der (fast) ausschließlich für die Verwendung mit der Medien-Software Roon maßgeschneidert wurde. Was für einen Sinn macht das?
Die Rezeptur für einen zeitgemäßen Musik-Computer klingt auf dem Papier simpel: Man nehme einen kompakten Rechner mit moderatem Festspeicher und installiere die Server-Variante der herausragenden Musikverwaltung „Roon“. Die wird mittlerweile für alle Systeme angeboten. Genau das macht der chinesische Hersteller Thunder Data mit seinem smarten Musikanten Rhein Z1. Vertrieben wird der Computer unter dem hauseigenen Label „Silent Angel“, die Produktbezeichnung erinnert derweil – Ihnen ist’s bestimmt aufgefallen – an Conrad Zuses ersten Rechenautomaten aus dem Jahr 1937.
Munteren Geistern stellt sich nun allerdings die Frage, ob das Grundrezept nicht ein wenig zu einfach ist für ein Gerät, das immerhin knapp 1800 Euro kostet – ohne die wertvolle Roon-Lizenz, versteht sich. Auch der interne Festspeicher ist in der Basisversion mit 250 Gigabyte alles andere als überdimensioniert. Seine 8 Gigabyte RAM … nun, das können heute sogar Smart-Devices. Und noch ein Vergleich: Wollte man einen adäquaten Rechenknaben auf Basis des Raspberry Pi aufbauen, käme man mit unter 200 Euro durch die Tür.
Optimierte Software …
Zum Verständnis dedizierter Elektronengehirne sollte man sich mit Begriffen wie Betriebssystem und BIOS auseinandersetzen – letzteres ist gewissermaßen das reflexsteuernde Rückenmark jedes Computers. Installiert man Windows auf einem PC, laufen bereits nach dem ersten Systemstart über hundert Hintergrunddienste, die Arbeitsspeicher und Aufmerksamkeit beanspruchen. Die Netzwerkverbindung wird durch unnötige Update-Anfragen gestresst. Bei Linux und MacOS ist das kaum anders. Und jede weitere Programminstallation steigert das Handicap. Das BIOS tut sein Übriges: In seiner Grundeinstellung versucht es allen Computern gerecht zu werden, vom schnöden Office-PC bis zum Gaming-Monster. Fürs unmittelbare Plug’n’ Play-Erlebnis hält es sämtliche Leitungen offen.
Der Z1 entzerrt das Gewirr: Sein System VitOS wurde eigens für HiFi-Computer geschrieben und sein BIOS fein abgeschmeckt. Beim initialen Systemstart der bootet Rhein daher nur die notwendigen Grundfunktionen (LAN/USB) sowie den Roon Core. Mit dem Background seiner (nicht ganz so) proprietären Software geht Thunder Data entspannt um. Es handelt sich um ein Linux-Derivat von der Stange, das kräftig ausgemistet wurde. Anschließend ergänzte der Hersteller etliche Zeilen Quellcode, die entscheidende Prozesse entschlacken und damit beschleunigen. Update-Anfragen zum Beispiel gibt es nicht. Die müssen von außen getriggert werden. Dadurch verfügt der Z1 über einen “ablenkungsfrei”-musikalischen LAN-Zugang und eine Speicheroptimierung. Die erlaubt den unmittelbaren Zugriff auf relevante Daten in ROM und RAM. Das verbessert nicht nur die Performance, sondern sorgt auch dafür, dass das System mit weniger Strom auskommt.
Das oben genannte Gleichnis mit dem Raspberry Pi (um 40 Euro) kommt nicht von Ungefähr: Thunder Data bietet sein VitOS auch für den günstigen Schulrechner an. Einen Z1 kann das freilich kaum ersetzen, da der kompakte Silent Angel noch weitere Tricks auf Lager hat.
… und Hardware
Nicht nur die Software ist spezifisch. Auch bei der Hardware legte der Hersteller Hand an. Er entrümpelte das Mainboard und optimierte die Stromversorgung, die im Z1 vollständig auf eine separate Platine ausgelagert ist. Die CPU liegt im Zentrum der Hauptplatine. Das gewährleistet kurze sowie gleichlange Wege zu den wichtigsten Komponenten. Die Architektur hat Köpfchen, da Prozessor und Controller auf der einen, RAM und ROM auf der anderen Seite verbaut wurden. Das minimiert gegenseitige Störungen. Viel wichtiger noch: Die bereits erwähnte “entstressung” von Hauptprozessor und Controllern sorgt für einen äußerst stromeffizienten Betrieb. Der Silent Angel ist damit natürlich kein Leistungsriese, was aber nicht weiter stört. Er ist schließlich nicht dafür vorgesehen, umfassende Berechnungen vorzunehmen. Seine vier Kerne sind ausreichend schnell, um Roons Audio-Analysen auszuführen und die Musik flüssig an den USB- oder LAN-Bus durchzureichen.
Die sparsamen 6 Watt Leistungsaufnahme der CPU – und selbst das nur in den Leistungsspitzen – sorgen andererseits dafür, dass der Rechner ohne störenden Lüfter auskommt. Das auf den ersten Blick unscheinbare Alu-Gehäuse leitet entstehende Wärme großflächig ab und ist im Inneren durch eine Dämmung geschützt, die Vibrationen und Resonanzen minimiert und zugleich EM-Schmutz absorbiert. Bei den maximal zwei verbauten M.2-SATA-Laufwerken handelt es sich um so genannte „Audio-Grade“-Festspeicher, um SSD-Laufwerke also, deren Haltbarkeit und interne Datenkompression für die Musikwiedergabe optimiert wurden und die wenig HF-Strahlung abgeben.
Intermezzo A: Roon
Bei Roon handelt es sich um eine wegweisende Mischung aus Medien-Verwaltung und Streaming-Software/-Steuerung samt dediziertem Treiberpaket zur Ansteuerung externer USB-Wandler. Entwickelt wurde die Software von eben jenen Programmierern, die um 2006 “Sooloos” ersannen. Roon verwaltet die Musik nicht nur, es analysiert sämtliche Dateien und verknüpft die Titel mit seinem ausgeklügelten Tagging-Konzept zum völlig neuen Erlebnis. Das hauseigene Transfer-Protokoll RAAT (Roon Advanced Audio Transport) garantiert derweil die verlustfreie Übermittlung der Daten und zählt zu den klangstärksten Audio-Konzepten. Grundsätzlich arbeitet die Software mit allen DACs zusammen, RAAT funktioniert jedoch nur auf Geräten mit dem Roon Ready Zertifikat.
Roon ist in einer Lifetime-Lizenz verfügbar (um 600 Euro) oder als Abo für 10 Euro/mtl.
FIDELITY veröffentlichte eine umfassende Reportage zu der wegweisenden Software. Auch, wenn sich seither einige Details geändert haben, bildet der Kern der beiden Artikel einen soliden Einstieg ins Thema.
Roon Report, Teil 1 Roon Report, Teil 2
Weitere Informationen zur Software finden Sie im englischsprachigen Forum des Herstellers: Roon Knowledge Base
Silent Angel in der Praxis
Die Einrichtung eines Roon-Servers sollte selbst Computer-Muffeln gelingen. Alles, was man nach dem Start tun muss, ist zum Tablet (oder Laptop) zu greifen und die Roon-App aufzurufen. Anschließend kann man den Z1 als neuen Core definieren. Sollten Web-Abos vorhanden sein, greift die Software direkt auf Konten von TIDAL und/oder Qobuz zu. In den Einstellungen verknüpft man die Roon-Bibliothek mit etwaigen Datenquellen (NAS) im Heimnetzwerk. Möchte man eine bestehende Musiksammlung direkt im Z1 speichern, muss man einen weiteren PC als Datenmanager hinzuziehen. Thunder Data bietet übrigens eine winzige App an (“VitOS Manager”, iOS/Android), die Updates etc. verwaltet und in knappen Schritten erklärt, wie man die Computer miteinander vernetzt. Kurzum: Das initiale Datengefriemel und Abo-Einrichten ist bei Silent Angel (prinzipbedingt) genauso lästig wie auf anderen Systemen, es geht aber insgesamt gut von der Hand und verursachte bei uns keinerlei Ärger, Hürden oder Totalausfälle.
Der Z1 spielt sämtliche relevanten Mediendateien bis hin zur maximalen Auflösung. DSD beziehungsweise DoP gehören ebenfalls zum Portfolio. Freilich klappt alles nur dann verlustfrei, wenn der verbundenen DAC die Bandbreiten, Datenraten und Formate auch nativ unterstützt. Alternativ bietet der Hersteller Versionen des Rhein mit integrierten 1 und 2 TB Festspeicher an, dann als normale SATA-SSD. Das Datenvolumen des Servers lässt sich auf verschiedene Arten weiter expandieren: Neben NAS-Laufwerken akzeptiert er USB-Speicher. Bis zu drei Stück dürfen es sein, da der USB-DAC ebenfalls einen Port belegt. Insgesamt sollte der Speicher 4TB nicht überschreiten. Das liegt nicht am Z1, sondern an Roon: Ab 4TB oder 100.000 Songs reagiert die Bibliothek zunehmend instabil.
Neulich bei VitOS
Das jüngste Update auf VitOS 1.1.1222 bescherte dem stillen Engelchen neue Möglichkeiten. So ist der Rechner nun auch Spotify Connect-Endpunkt, der den beliebten Web-Dienst (gesteuert über ein Smart-Device) ohne Umwege anzapfen kann. Neben Airplay2 fügte Thunder Data den MinimServer und ReadyMedia hinzu. Beides verwandelt den kompakten Medien-Rechner in einen UPnP-/DLNA-Server. Um das schlanke System mit den neuen Funktionen nicht unnötig zu belasten, stehen die Erweiterungen als Installations-Optionen zur Verfügung. Über die Smartphone-App des Herstellers aktiviert man sie separat und kann sie später rückstandslos entfernen. Das hält das System flink und geschmeidig.
Intermezzo B: Was ist DoP?
Wie Sie vermutlich wissen, ist DSD (Direct Stream Digital) das Datenformat der SACD. Nur spezielle Programme und D/A-Wandler können diese Signale verarbeiten. Das liegt an der Datenstruktur: DSD bündelt Audiosignale nicht in mundgerechte Samples. Wie die fortlaufende Rille einer Schallplatte moduliert jedes einzelne Bit die Wiedergabe, was extreme Auflösung und Bandbreiten ermöglicht. Ein Computer ist es hingegen gewohnt, Daten in Paketen von 8, 16, 24, 32 oder 64 Bit zu verarbeiten. Mit dem SACD-Format kann er daher naturgemäß nichts anfangen. Dem Computer selbst lässt sich der Umgang mit DSD durch geschickte Programmierung beibringen. Anders bei den hochgradig standardisierten USB-Controllern: die sind notorisch inkompatibel. Um dieses Problem auszuhebeln, verschnüren manche Anwendungen ihre DSD-Daten in einen PCM-Container. Sie gaukeln dem USB-Eingang des DACs somit vor, es handle sich um Audiosignale im FLAC, AIFF oder WAV-Format. Der DAC-Chip selbst wird über diesen Trick informiert und arbeitet die Datenbündel als ununterbrochenen Bit-Strom ab.
Entgegen anderslautender Gerüchte handelt es sich also um einen reinen Kniff bei der Datenübertragung. DoP ist weder eine Formatkonvertierung, noch beschneidet, komprimiert oder reduziert es die DSD-Daten. Da Programme wie Roon sowie moderne DAC-Chips darauf vorbereitet sind, verursacht die Übertragungsform auch keinen klangmindernden Stress in den Prozessoren.
Klangmeriten
Wie üblich ist es etwas knifflig, den Charakter des Computers einzugrenzen. Da er weder einen DAC noch einen Signalausgang besitzt, hat der Rhein keinen Eigenklang. Via USB wird er mit Class Compliant-DACs verbunden. Alternativ kann Roon im Netzwerk gemeldete “Roon Ready”-Streamer adressieren. Durch die entschlackte Architektur und die optimierte Software wirkt die Wiedergabe über einen D/A-Wandler wie Auralics Altair G2 tatsächlich beeindruckend flüssig, gelassen und entspannt, zudem herrlich räumlich, gelöst und differenziert. Stimmen und Instrumente besitzen einen betörenden Schmelz und enorme Natürlichkeit, offenbaren zudem eine ausdrucksstarke Kolorierung sowie eine greifbare Plastizität. Aber wie gesagt: Je nach verwendetem DAC, Streamer und Kabelsatz kann das Ergebnis variieren.
Das eigentliche Potenzial des Servers offenbart sich erst dann, wenn man den Auralic (oder andere Streamer) mit Daten von einem Allerwelts-NAS (bei uns ein Buffalo) oder von einer günstigen USB-Festplatte (in dem Fall von Western Digital) füttert. Beides tönt anständig, wirkt im direkten Vergleich aber matter und hörbar eingeschnürter. Die Emotion bleibt so definitiv auf der Strecke.
Gute N8
Wie sauber, präzise und exakt der Z1 arbeitet, merkt man auch an seiner Empfindlichkeit für Tuning-Maßnahmen. Anstatt über sein beigelegtes Computer-Netzteil, betrieben wir ihn die meiste Zeit über Keces P3. Das Booster-Netzteil ließ die Wiedergabe einen spürbaren Hauch gelöster und größer wirken. Einen ähnlichen Effekt hatte Silent Angels LAN-Switch Bonn N8. Nur zur Aufklärung: Router wie die beliebten Fritzboxen unterliegen strengen Stromspar-Auflagen. Bereits nach wenigen Sekunden der Untätigkeit deaktivieren sie ihre LAN-Ports daher teilweise oder vollständig. Da die Daten beim Streaming in größeren Paketen übertragen werden, Pausen also unumgänglich sind, gerät der Router immer wieder minimal aus dem Trott. Ein Switch wie der N8 lässt die Leitungen offen und ermöglicht eine störungsfreie Übertragung.
Auch hier gilt natürlich: Das Ergebnis ist abhängig vom Vergleich: Verwenden Sie etwa einen älteren Router mit laxen Stromrestriktionen, mag sich der N8 kaum auswirken. Bei unserer Fritzbox 7590 ließ er die Musik jedoch merklich aufgeräumter und geordneter tönen. Dieser Klanggewinn steigerte sich noch, als wir auch den Switch via Keces P3 bestromten.
Wir meinen …
Silent Angel hat seinen Rhein Z1 perfekt für den Job vorbereitet: Der kompakte Server ist sparsam, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und arbeitet perfekt mit der Roon-Software zusammen. Abgesehen von der initialen Einrichtung – und damit meinen wir die erforderliche Eingabe etwaiger Abo-Daten und das Kopieren von Dateien – präsentiert sich der Server als reinrassige Plug’n’ Play-Maschine mit superbem Klangfundament. Desktop-PCs und Bastellösungen haben im direkten Vergleich keine Chance, da ihrer Hardware die Finesse fehlt. Die neuen Features rund um Spotify Connect, Airplay2, und UPnP-Streaming erweitern das Spektrum des Z1 um Sinnvolles … und zwar nur dann, wenn es der Anwender auch möchte.
In aller Kürze: Der Silent Angel ist eine perfekte Zentrale für zeitgemäße Musikumgebungen!
Technische Daten
Konzept: Musik-Server mit Roon-Core; UPnP-Streaming, Airplay2 und Spotify Connect können nachinstalliert werden
Apps: VitOS (Android/iOS), Steuerung über Roon (Lizenz nicht im Preis enthalten)
Speicher: ab 250GB SSD (optional mit 1TB oder 2TB SSD erhältlich)
Anschlüsse: 2 x USB 3.0, 2 x USB 2.0, 1x Gigabit-Netzwerk Anschluss, 1x HDMI (Service-Schnittstelle)
Gewicht: 6 kg
Maße (B/H/T): 20/7/20 cm
Garantie: 2 Jahre
Preis: um 1800 Euro (256 GB), um 2500 Euro (1 TB), um 3000 Euro (2 TB); Bonn N8: um 400 Euro
Kontakt
IAD GmbH
+49 2161 6178313