Audio Optimum FS82E – Eine für alle Gelegenheiten
Hörraum, Tonstudio, Musikwiedergabe, Filmton … einer Superbox wie der FS82E von Audio Optimum ist es egal, wo, mit welchem Material und wie laut sie eingesetzt wird. Sie meistert alle Aufgaben mit Bravour.
„Ein Film?“, frage ich verwundert. „Ja, ein Film: Bewegtbild, Kameras, Schauspieler, Dialoge … ,Troja‘ heißt er.“ Ok, einverstanden, den kenne ich. Wir hocken in einem ganz und gar außergewöhnlichen Hinterhaus in Recklinghausen. Ein mittelgroßer Gewerbebau, der die Firmenzentrale, Entwicklung und vollständige Produktion von Audio Optimum aufnimmt, ein ausgewiesener Spezialist für Aktivlautsprecher. Und hinter dem Namen steht außerdem ein Hersteller, der sich seiner Heimat so verpflichtet fühlt, dass er sich die Webadresse „audio.ruhr“ reservierte, noch ehe die Region ihre eigene Domain freigab. Das könnte man freilich auch jedem anderen Produzenten, Vertrieb oder Shop aus dem Westen Deutschlands zuschreiben, aber, so spielt das Leben, www.audio.ruhr ist jetzt vergeben.
Ich bin kaum mehr fähig, dem Gespräch mit Stefan Wehmeier zu folgen. Mein Schädel brummt, wiegt schwer von zweistündigen technischen Abhandlungen, die gerade hineingekippt wurden. Wehmeiers Werdegang, die Entstehung seiner Firma, Entwicklung und Produkte – praktisch alles fällt aus dem Rahmen dessen, was ich von anderen Lautsprecherschmieden kenne. Um mich herum herrscht kontrolliertes Chaos. Der vielleicht 50 Quadratmeter große Hörraum klingt angenehm gedämpft, ist voller Lautsprecher. Ich kann alle Modelle von Audio Optimum ausmachen. Kompakte, große, alte Studien sowie die laufende Modellpalette. Auch andere Hersteller sind vertreten. Geithain etwa. Dazu ein halbes Dutzend von Wehmeiers Sincos-Endstufen. Hinter mir auf dem Boden, direkt zu Füßen eines gusseisernen Ofens, dessen Form an einen V8-Block erinnert, breiten sich spinnenartige Prototypen sternförmiger Netzleisten aus. Die sollen erst nach einem Umbau in den Handel kommen, wie ich erfahre. So nehmen sie noch zu viel Platz ein. Mitten in diesem Meer aus highfidelen Devotionalien schließlich wir, auf einem Sofa sitzend, vor uns ein Tisch voller Fernbedienungen – und belegte Brötchen.
Plötzlich gleiten griechische Triremen über den großen Bildschirm, ein Schiffstyp, der eigentlich erst 700 Jahre nach der Filmhandlung gebaut wird. Erst eine, dann vier, schließlich nehmen sie den gesamten Horizont ein. Über 1000 seien es gewesen, behauptet Homer. Die Küste der Troas rückt ins Bild und erste Griechen entern Kleinasien, unter ihnen der mythische Held Achill. Und sie benehmen sich wie die Axt im Walde, spalten ohne ein „Hallo!“ oder „Wie geht’s?“ Schädel und entspinnen jenes brutale Gemetzel um einen kleinen Tempel, das einen zehnjährigen Weltkrieg heraufbeschwört, an dessen Ende die Welt für Jahrhunderte in Dunkelheit versinkt.
Wir sehen eine, zwei, drei Sequenzen von Wolfgang Petersens Schlachten-Epos und machen keine Anstalten zu stoppen. Dabei herrscht Zeitdruck. Ich habe noch 630 Kilometer nach München vor mir und bin ohnehin nur einer von mehreren Terminen, die an diesem Tag bei Audio Optimum anstehen. Eigentlich haben wir schon oben in den Büros zu lange geredet und über technische Details philosophiert. Doch wir verlieren uns immer tiefer im Film. Die Dialoge stehen transparent, crisp und wie gemeißelt in der Mitte einer endlosen Bühne. Die Klangkulisse umrankt uns und baut eine berauschende Atmosphäre auf. Am Anfang unserer Abschweifung ins antike Kleinasien, als die Trojaner ihren Widerstand noch für sinnvoll halten, zischen Pfeile über uns hinweg und scheinen hinter uns im Nichts zu verschwinden, platschen kaum merklich ins Meer. Der Effekt verfehlt nicht seine Wirkung: Surround-Sound aus nur zwei Lautsprechern. Ich bin baff!
„Für die Abstimmung meiner Lautsprecher schnappe ich mit gern einen Film“, erklärt Stefan Wehmeier. „Das Bild gibt mir eine weitere Informationsebene, mit der ich prüfen kann, wie exakt und realistisch das Geschehen reproduziert wird. Passt das Timing? Stimmt die Abbildungsgröße mit dem Sichtbaren überein? Die meisten Entwickler greifen dafür zum audiophilen Kanon und zu Liveaufnahmen. Legitim, aber sie waren bei der Aufnahme nicht zugegen und können die Güte der Reproduktion nur schätzen. Wenn das Auge mithört, wird das einfacher.“ Dazu benötigt er natürlich exzellente Filmton-Abmischungen, und zumindest Troja wirkt exzellent gemischt, wie ich in diesem Moment am eigenen Leib erfahre.
Seit seiner frühen Jugend schon interessiert sich Wehmeier für Musik und HiFi. Er drückte sich wie so viele Jugendliche seiner Generation die Nase an den Schaufenstern der Fachgeschäfte platt. Bereits mit zwölf bastelte er Boxen, und mit 16 hatte er sein erstes eigenes System. Marke Eigenbau. Und er war glücklich damit. Selbst wenn es noch meilenweit weg war von der heutigen Vollendung. Dann folgte die Ausbildung zum Fernmeldetechniker. Und parallel dazu – man war ja nun mobil – verschrieb er sich über Jahre dem Car-HiFi. Doch mit der Zeit entfremdete sich die Szene. Wehmeier hatte kein Interesse daran, Windschutzscheiben mit Schallenergie aus der Karosserie zu blasen. Er wollte den exzellenten Klang seines Wohnzimmers in seine fahrbaren Untersätze übertragen.
Ich schmunzele in mich hinein, da sein Werdegang dem vieler anderer Entwickler entspricht. Jörn Janczak von Tidal hatte mir nur Wochen vorher nahezu dasselbe über sich berichtet. Doch gleich danach wird es außergewöhnlich: Wehmeier lernte kurz nach der Jahrtausendwende Friedrich Wilhelm Bussieweke kennen, den Ideengeber und heutigen Geschäftsführer von Audio Optimum. Der war begeistert von dem kreativen Tüftler und spornte ihn an, seine Forschungen zu professionalisieren. Als Mäzen finanzierte er Wehmeiers langjährige Experimente und Entwicklungen, ehe beide der Ansicht waren, dass die Kreationen nun reif waren für die Öffentlichkeit. Das war 2015.
Während seiner rund zehnjährigen Studien vollzog sich ein tiefgreifender Wandel in Wehmeiers Arbeit. Hatte er sich anfangs noch auf die Lautsprecher konzentriert, wurde immer klarer, wie wichtig Verstärker für die Reproduktion sind – oder besser: für das Zusammenspiel beider Elemente. Die Grundidee der Sincos-Amps entstand, und da er nun beides fertigte, Verstärker und Schallwandler, war der Weg zum Aktivlautsprecher bereits eingeschlagen, noch ehe er es bewusst darauf anlegte.
Bei den ersten Boxen neuer Bauart waren die Amp-Module noch integriert. Doch zeigte sich bald, dass Verstärker im Inneren eines Lautsprechers Mikrofonie ausgesetzt sind. Die vor allem im Bass energiereichen Vibrationen des Gehäuses können auf die Schaltungen wirken. Und so nahmen die Sincos-Amps ihre heutige Form an: Separate, aufrecht stehende, über spezielle Füße entkoppelte Kraftwerke mit integrierten Frequenzweichen und maßgeschneiderten Lautsprecher-Abgriffen. Aus unserem Testmuster FS82 wurde in diesem Zug die FS82E – ein Standlautsprecher („FS“ für „Floorstand“) mit zwei Acht-Zoll-Treibern („82“) und externer Elektronik („E“). Mit etwas Grips und dieser kleinen Anleitung können Sie die Bezeichnungen sämtlicher Audio Optimums deuten. Freilich baut er auch heute noch kompakte Lautsprecher mit integrierter Verstärkung – schließlich kann und mag nicht jeder separate Amps platzieren. Das Gehäuse der wuchtigen 82 hingegen ist bis auf seine Innenversteifung und die Chassis leer. Signale gelangen über einen verriegelten Speakon-Anschluss hinein … gespeist von drei 200-Watt-Modulen, deren Buchsen mit ihrem Farbcode Fehlverkabelung schwermachen.
Entscheidende Aufmerksamkeit bei seiner Entwicklungsarbeit widmete Wehmeier der Schnittstelle zwischen Verstärker und Lautsprecher. Bei seinen Frequenzweichen handelt es sich um phasenparallele Aktivweichen nach Linkwitz-Riley-Schaltung. Um sie in allen Boxenmodellen optimal einsetzen zu können, konzipierte er ein Netzwerk aus 36 Operationsverstärkern, die sich über Aufsteck-Widerstände abstimmen lassen. So kann ein einzelnes Bauteil alle Lautsprecher im Sortiment optimal kontrollieren. Egal, ob sie zwei oder drei Wege haben. Da die meisten Geräte nicht alle benötigten Parameter abbilden, entwickelte Wehmeier eigenes Messequipment für die Abstimmung seiner Weichen. Das hören wir auch nicht alle Tage.
Optional lassen sich sämtliche Aktivelektroniken um ein EQ-Board mit sechs analogen Filtern aufrüsten, die Ungereimtheiten der Raumakustik terminieren. Aufgrund der hochkarätigen Bauteile und des erforderlichen Vor-Ort-Service schlägt das bei der FS82E mit immerhin rund 3500 Euro zu Buche.
Nachdem diese Hürden genommen waren, nahm Wehmeier die Ansteuerung seiner Aktiven ins Visier. Ein Vorverstärker musste her. Und um dessen Flexibilität auf die Spitze zu treiben, entschied er sich für ein Modell mit integriertem DAC. In zahllosen Experimenten studierte er die Stärken und Schwächen verschiedener Wandler-Chips und landete schließlich bei Philips’ altehrwürdigem TDA1543, einem Modell aus den frühen Neunzigern, das er in der Folgezeit in ausreichender Menge hortete – ein schmerzhafter Prozess, da er mehrfach auf B-Ware hereinfiel.
In heutigen Zeiten mag es anachronistisch klingen, doch der Chip arbeitet mit einer festen internen Auflösung von 16 Bit und 96 Kilohertz. Kein Oversampling, und statt eines Upscalers benötigt man für viele zeitgemäße Quellen sogar einen Downsampler, der in Form eines schwarzen Kastens mitgeliefert wird, der gleich noch einen USB-Eingang spendiert. Den heute allgegenwärtigen Superlativen bei Taktrate und Auflösung stellt Wehmeier das Vertrauen in den Klang seines Chips entgegen: „Die ersten CD-Spieler arbeiteten in Wirklichkeit mit 14 Bit, da war der TDA1543 schon ein richtiger Quantensprung“, erläutert er und ergänzt: „96 Kilohertz sind der beste Kompromiss aus Bandbreite und Auflösung. Bei höherer Taktung kommt etwas Artifizielles hinzu.“ Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Ein Takt von 96 Kilohertz kann Signale bis 48 kHz reproduzieren. Das liegt bereits weit außerhalb unseres Hörvermögens. DACs mit höheren Auflösungen bringen also theoretisch keinen Nutzen mehr, neigen aber dazu, auch die Störanteile zu potenzieren. Um einen Auflösungsverlust beim Regeln der Lautstärke muss man sich indes nicht sorgen: Die Pegelung ist analog umgesetzt und basiert auf einem vorzüglichen Alps-Poti.
Der NosDAC (um 3790 Euro, „Nos“ steht übrigens für „Non-OverSampling“) steckt in einem transparenten, blau beleuchteten Kunststoffgehäuse und ist somit hervorragend isoliert. Er bietet je einen analogen und digitalen Eingang zuzüglich der vier Digitalquellen, die der Taktratenwandler zuführen kann. Geschaltet wird alles über einen Switch an der Front, farbige LEDs illustrieren, welche Quelle gerade gewählt ist. Der analoge und digitale Teil des sonor und unverwüstlich dynamisch spielenden Pre-DACs bzw. DAC-Pres verfügen über jeweils eigene Netzaufbereitungen und getrennte Masseführungen.
Der letzte Puzzlestein in Audio Optimums größtem System ist die Verkabelung. Zu der sei er gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, erklärt mir Stefan Wehmeier. Er habe Strippen für seinen Hörraum benötigt, und – wie sollte es anders sein – das spornte ihn zu Vergleichen und Experimenten an. Im Grunde genommen habe er beste Ergebnisse mit Industrie- und Stangenware erzielt – messtechnischer Standard. Allerdings sei ihm aufgefallen, dass die Schirmung subtilen, bisweilen jedoch entscheidenden Einfluss auf den Klang habe. Nach zahllosen Versuchen landete er bei einer verdrillten Kabelführung, die er mit Basalt ummantelt. Sie haben richtig verstanden: Basalt, das graue Gestein, das man in der Nähe von Vulkanen findet. Freilich hier in Form eines Gewebes. Das lädt sich nicht statisch auf und enthält Eisenoxyd, das wie ein Ferritkern wirkt, der die Signale im Innenleiter zusätzlich vor elektrischem Unbill schützt. Und das Schönste daran: Die Kabel – Audio Optimum bietet sie wie alle Zutaten auch separat an – klingen vorzüglich und kosten nicht die Welt.
Wir hatten die FS82E natürlich auch im Hörraum und konnten sie über Wochen hinweg ausprobieren. Weil uns der Ausflug in die farbenfrohe Welt von Hollywood anfixte, haben wir sie in verschiedenen Wohnzimmern studiert, was bei der großen Bassreflexbox mit gehörigem Arbeitseinsatz verbunden war. Das Fundament und die entfesselte Dynamik des Lautsprechers können zu Konflikten führen. Sollte Sie also ein Nachbar am Morgen nach der durchgemachten Filmnacht mit einem mürrisch-zerknirschten Gesichtsausdruck ignorieren, denken Sie wohl besser mal über die kleinere FS62E nach. Für mich war es allerdings kein Problem, denn solange die Anlage spielte, konnte ich die Beschwerden meiner Nachbarn nicht wahrnehmen …
Aber im Ernst: Die FS82E erreicht fundamentale Abgründe und bildet selbst tiefste Impulse schnell, dynamisch und vor einem rabenschwarzen Hintergrund ab. Um nicht zu sagen, sie tönt knochentrocken! Es ist beinahe atemberaubend, wie mühelos sie Bassimpulse – gemeinsam leisten ihre beiden Woofer immerhin 400 Watt – aus dem Handgelenk schütteln. Auch wenn man die Anlage sehr leise betreibt, kommt die Energie noch an den Hörplatz. Das erlebt man wirklich selten in solcher Brillanz.
Es gibt allerdings eine Eigenschaft, die uns noch viel mehr faszinierte: Als uns Audio Optimum das System vorbeibrachte, stellten wir die FS82E nur grob auf. Sehr grob! Weder symmetrisch noch allzu genau auf den Hörplatz ausgerichtet. Nach einem ersten Druck auf die Play-Taste klappte uns trotzdem die Kinnlade herunter. Die Abbildung wirkte so präzise und holografisch und offenbarte mikroskopisch feine Details. Mit dem späteren Rückeln, Stückeln und Einwinkeln verbesserten sich ihre Performance und Natürlichkeit, die Abbildungsschärfe und Tiefe nur noch minimal. Das Timing der Lautsprecher und der vorgeschalteten Elektronik ist dermaßen exakt und derart gut „gematched“, dass Dreidimensionalität keine Frage der Aufstellung und Abstimmung zu sein scheint.
Stefan Wehmeier quittierte unsere Begeisterung über diesen Umstand mit einem müden Schulterzucken. „Naja, wenn alle Parameter stimmen ist das doch logisch, oder? Und um ehrlich zu sein … wir haben da ein paar Ideen, wie es noch besser geht.“ Kein Wunder also, dass sich seine Aktiven mittlerweile auch in Tonstudios herumsprechen, wo selbst Großkaliber wie das FS82E-System zum Abmischen eingesetzt werden. Die Superbox ist eben für alle Gelegenheiten gewappnet.
Wir meinen
Mit der FS82E bietet Audio Optimum ein Statement in Sachen Dynamik und Abbildungstreue. Die Aktive spielt auf höchstem Niveau, und ihr Preis ist mehr als gerechtfertigt: Es handelt sich ja um ein Komplettsystem. Großartig!
Info
Aktivlautsprecher Audio Optimum FS82E
Konzept: 3-Wege-Aktivlautsprecher im Bassreflexgehäuse mit separaten Endstufen Bestückung: Hochtöner 30-mm-Seidenkalotte (spielt ab 1,18 kHz), 2 x Tiefmitteltöner 20,3-cm-Papiermembran, Tieftöner 20,3-cm-Papiermembran
Besonderheiten: Boxenkabel (3 x Banane auf Speakon) im Preis enthalten
Leistung Endstufen-Module (4 Ω): 3 x 200 W
Volumen (Lautsprecher): je Box 72 Liter
Optionen: Klavierlack-Finish (15 390 €), Raum-EQ (3500 € Aufpreis inkl. Einbau und Einmessung), NosDAC (3790 €)
Maße (B/H/T): 27/116/35 cm
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: ab 13 990 €
Kontakt
Audio Optimum
Hochlarmarkstr. 43
45661 Recklinghausen
+49 2361 890260
Mitspieler
Quellen: Clearaudio Innovation Basic, Audiodata MusikServer MS II, Lumin X1, Auralic Altair, Roon
Verstärker: Lumin Amp, Audio Note Tomei Kensei
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW
Aktivlautsprecher: Quadral Aurum Alpha, Kii Three, KSDigital AB 300
Kabel: AudioQuest, Vovox, Tara Labs The Muse
Rack: Creaktiv Big Reference