Clearaudio Smart Power 24V – Spielwiese
Musik hören kann man auch mit einem Streamer. Aber mit dem richtigen Analog-Setup kommt eine Dimension dazu, die niemand missen möchte, der einmal ein wirklich schönes Cover in der Hand hielt. Clearaudio liefert das Werkzeug dazu.
Hand aufs Herz: Man kann auf digitalem Wege erstklassig Musik hören, und wenn es ausschließlich um die möglichst authentische Reproduktion eines Tonträgers geht, ist ein masseloses System frei von Mechanik und den daraus resultierenden Verlusten klar im Vorteil. Von der weitaus besseren Kanaltrennung mal ganz abgesehen. Und dennoch nimmt analoge Wiedergabe zahllose Musikliebhaber für sich ein – mir geht es ganz genauso. Denn die vielen kleinen Unvollkommenheiten, wie beispielsweise die immer vorhandenen Nebengeräusche, verleihen der Performance etwas Natürliches, Gewachsenes, etwas, was kein Digitalplayer bieten kann. Und anders als im Tonstudio gilt zu Hause zum Glück die Devise: Was wirkt, hat recht.
Ganz nebenbei macht die analoge Wiedergabe mit ihren Ritualen – mir zumindest – viel mehr Spaß. Der gesamte Prozess des Aussuchens, Reinigens, Justierens und Startens, all die Mühe, die man sich geben muss, um die Performance auf einem möglichst hohen Niveau zu ermöglichen, all das öffnet zugleich die Sinne und fokussiert die Wahrnehmung auf das Kommende. Keine Frage, dass es leichter fällt, dann die volle Aufmerksamkeit zu sammeln. Auf dieser wunderbaren Spielwiese gibt es viele kleine Helferlein, die unsere Suche nach dem klanglichen Gral unterstützen.
Basis für unsere Reise ins Zubehörland stellt diesmal der Clearaudio Innovation dar, ein Laufwerk, das wir in FIDELITY schon eingehend betrachtet haben, das uns seitdem als zuverlässiges Arbeitsgerät in den Redaktionsräumen dient und dessen klangliche Qualitäten wir gut einordnen können. Zudem ist das Innovation dank seiner offenen Architektur bestens für Experimente aller Art geeignet. An dieser Stelle ist übrigens ein großes Dankeschön an unseren (kompetenten) Einzelhandel angebracht. Da aufgrund von Messen und Urlaubszeit einiges an Material nicht vorrätig war, half uns das HiFi-Studio Wittman in Stuttgart-Botnang schnell und unproblematisch mit einigen Geräten aus dem Vorführ-Fundus aus. Der eigentlich möglichst knapp kalkulierte Abholtermin zog sich wegen des angenehmen Ambientes im Laden und der kurzweiligen Unterhaltung mit dem anwesenden Herrn Nolden deutlich in die Länge – und war dennoch zu kurz. Ich werde wiederkommen müssen, und diesmal ohne berufliche Anliegen und mit mehr Zeit.
Spielzeug Nummer 1 ist die aktuelle Inkarnation des großen Drehtonarmes Universal, dessen Urversion ich vor etwa zwölf Jahren an anderer Stelle beschrieb. Mittlerweile hat sich das Design etwas geglättet, die Übergänge sind charmanter, handschmeichlerischer und auch optisch gefälliger. Die Verarbeitung hat im Laufe der Jahre sicht- und fühlbar zugelegt. Während der ersten Version noch eine gewisse Sperrigkeit zu eigen war, ist die Bedienung des aktuellen Modells eine reine Freude. Sämtliche Justagemöglichkeiten laufen leicht und spielfrei, Einstellungen sind leicht reproduzierbar. Das Armrohr ist nach wie vor eine dreistufige Konstruktion, die zum Lager hin dicker und schwerer, weil nunmehr dreilagig wird. Der massive Lagerblock blieb unverändert. Immer noch eine hervorragende Idee ist die Aufhängung der Gegengewichte unterhalb des Armrohres. Diese tiefe Position erhöht die Stabilität, zudem lassen sich unterschiedliche Gegengewichte auf die Hülsen aufsetzen, ohne den Arm demontieren zu müssen. Insgesamt eine ziemlich schlaue Lösung, die es ermöglicht, den Arm mit seiner nicht unbeträchtlichen effektiven Masse von gut 20 Gramm an verschiedenste Tonabnehmer anzupassen. Ich denke, dass man mit keinem System mit einer Nadelnachgiebigkeit von 16 mm/N oder darunter ernsthafte Probleme erleben sollte.
Der in diesem Fall montierte VTA-Lifter hinterlässt bei mir gemischte Gefühle, wenngleich ich nichts objektiv Messbares gegen ihn vorbringen kann. Gut ist, dass sich der vertikale Abtastwinkel „on the fly“, also während des Betriebs einstellen und damit bestens beurteilen lässt. Allerdings sitzt der Arm nicht so verwindungsfrei bombenfest, wie ich es mir in solch einem Falle wünsche. Vielleicht liege ich hier auch einem Irrtum auf und schieße mit Kanonen auf Spatzen, wenn es darum geht, die endgültig kraftschlüssige Verbindung zwischen Arm- und Tellerlager herstellen zu wollen. Daher betone ich, dass es sich hierbei meinerseits nur um ein „Gefühl“ handelt, eine Befindlichkeit, die kein objektives Kriterium darstellt.
Nicht in Zweifel zu ziehen ist allerdings die klangliche Qualität dieses Armes. Wie schon sein Urahn baut er ein fein differenziertes Klangbild vor einem sehr ruhigen Hintergrund auf. Alle von mir montierten Systeme gewinnen in ihm eine große Ruhe, nervöse Abnehmer werden ein klein wenig ausgebremst, klingen dann entspannt, ohne langweilig zu werden. Gerade in den Tiefmitten bis zum Grundton zeigen alle Systeme im Universal eine exemplarische Durchhörbarkeit; ein deutliches Zeichen dafür, dass man bei Clearaudio in diesem Bereich Resonanzen besonders effektiv bekämpft hat.
Die vielen Tonabnehmerwechsel führen mich zu einem weiteren Zubehörteil, das ich schon lange besitze und um nichts in der Welt missen möchte: die Einstellschablone IEC. Ich habe bisher mit keiner anderen Schablone gearbeitet, die es mir ermöglicht, Systeme so schnell, sauber und reproduzierbar zu justieren. Ein Einbau, der länger als vier bis fünf Minuten dauert, ist eine Seltenheit und meist einem nicht hundertprozentig gerade eingebauten Nadelträger geschuldet. Die Bedienung ist narrensicher, das Ergebnis leicht abzulesen und präzise, die mechanische Ausführung der Schablone garantiert jahrelange Benutzung ohne Qualitätseinbußen. Ich benutze sie seit bestimmt 15 Jahren, und alle beweglichen Teile laufen sauber wie am ersten Tag.
Im Universal sitzt ein heimlicher Star dieses Setups: Das Stradivari V2. Von vielen Erlanger Tonabnehmern wohlbekannt ist das Design dieses Systems mit seiner sternförmigen Frisur, dem kantigen Korpus darunter und dem weit herausragenden Nadelträger. Letztgenannter ist übrigens der Grund, warum man nicht nur ein ruhiges Nervenkostüm besitzen, sondern auch gut ausgeschlafen sein sollte, wenn es an die Montage dieser Systeme geht: Eine unbedachte Bewegung genügt, um den langen Bor-Nadelträger in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Ich spreche aus eigener Erfahrung: Mein eigenes Clearaudio-System, das ich nach einem Umbau für ein Testsystem „schnell mal“ wieder einbauen wollte, überlebte meine Eile nicht. Und ich weine ihm bis heute bittere Tränen nach.
Auch dieses Clearaudio-System ist mit seinem steifen Nadelträger, dem kontaktfreudigen Micro-HD-Schliff von Namiki und den hauchdünnen, aus Golddraht gewickelten Spulen ein nervöses Rennpferd: Schnell und präzise, allerdings auch hochsensibel. Ich bin gespannt, wie sich dieser Abtaster unter realen Bedingungen schlägt, und beginne sofort mit dem Hören. Um es kurz zu machen: Ich kenne absolut keinen anderen Tonabnehmer, der eine solch immense Detailfülle liefert, ohne dabei nervös oder anstrengend zu klingen.
Dass der Strom die Basis allen Klanges einer Stereoanlage ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. Wie man mit der aus dem Lichtnetz gezapften Energie allerdings umgehen soll, daran scheiden sich die Geister. Auch bei Plattenspielern ist die Stromversorgung immer wieder ein Thema, wobei man doch eigentlich meinen sollte, dass zu diesem Thema zum einen schon alles gesagt sei, zum anderen aber auch immer wieder verwundert ist, dass die ins Unermessliche getriebene Siebung im Netzteil eines Laufwerks das simple Drehen eines Plattentellers mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute in so ungeheurem Maße verbessern soll. Zumal die Verbindung zum Motor durch einen nicht zu straffen Gummiriemen schon einige Filterung bietet und der dank einer dicken Stahlschicht ordentlich schwere Plattenteller nicht jeder kleinen Unregelmäßigkeit nachgeben sollte. Spielt der Innovation in seiner hier beschriebenen Konfiguration mit dem serienmäßigen Netzteil, einer „Wandwarze“, kommt auch nicht im Geringsten der Wunsch nach einer grundlegenden Verbesserung auf. Der Plattenspieler agiert detailfreudig und ausgewogen, vernachlässigt weder Groove noch Übersicht.
Exquisites Strom-Upgrade
Nun kommt das Akkunetzteil Smart Power 24V ins Rennen, der eigentliche Hauptdarsteller dieses Textes. Clearaudio hat hier in die Vollen gegriffen und einen Nickel-Metallhydrid-Akku mit einer Kapazität von immerhin 5000 Milliampere-Stunden mit seiner umfangreichen Ladeelektronik in ein sattes Aluminiumgehäuse gesteckt. Ein Display an der Front informiert über den aktuellen Ladestand des Akkus. Sollte es einmal eng werden, lädt sich der Akku selbstständig wieder auf – auch im laufenden Betrieb. Eine Tiefenentladung, die von Akkus dieses Typs nun ganz und gar nicht geschätzt wird, kann auf diesem Wege sicher vermieden werden, was für eine lange Lebensdauer spricht.
Ich gebe offen zu, dass ich bisher eher ein Zweifler war, wenn es um noch potentere Netzteile für solche Kleinverbraucher ging, und ich war immer der Meinung, dass es vollauf genügen sollte, einem solchen Motörchen ein ausreichend sauber arbeitendes und gefiltertes Netzteil zur Seite zu stellen. Das Smart Power 24V zeigt mir, dass ich mich gründlich getäuscht habe. Denn der klangliche Zuwachs, den das Innovation-Laufwerk durch diese Versorgung erfährt, fällt größer aus, als es durch die meisten Tonabnehmerwechsel möglich wäre.
Hierbei handelt es sich nicht um Nuancen, die man sich im Laufe mehrerer Platten erhören kann, um sich dann doch nicht sicher zu sein, ob man schon längst irgendwelchen Gewöhnungseffekten aufsitzt. Nein, nach dem ersten Ton ist alles klar, und in der Folge geht es eigentlich nur noch darum, welche Bereiche der Wiedergabe denn in welchem Maße gewinnen – und nicht, ob sich überhaupt etwas tut. Einer meiner Lieblinge dreht sich auf dem Clearaudio: Richard Wagners Tristan und Isolde in der EMI-Produktion mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern. Schon der erste und so berühmte Akkord steht mit einer größeren Selbstverständlichkeit in einem größeren Raum.
Alles wirkt geweitet, entschlackt und gleichzeitig noch konzentrierter. Ganz verblüffend wird es, wenn ein paar Takte später die Kontrabässe mit ihrer langen Pizzicato-Linie einsteigen. Die Gruppe ist im Orchester leicht lokalisierbar, man hört, dass es viele Spieler in einer Reihe sind, einzelne Instrumente lassen sich verorten, da es mehr Luft um die Schallereignisse gibt, und doch klingt jeder Ton kompakter, tiefer, konzentrierter, ja zur Essenz eingekocht, und die Bässe wirken größer. Diese Schilderung beschreibt jetzt auch ausdrücklich keine Kleinigkeiten. Was sich hier ereignet, ist ein veritabler Klassenunterschied – und wer in der HiFi-Welt in dieser Preisklasse unterwegs ist, weiß, wie schwer das zu erreichen ist.
Als Kontrastprogramm liegt jetzt „Kiss“ von Prince auf dem Plattenteller. Auch hier ist der Unterschied zwischen Standardnetzteil und Smart Power 24V eklatant. Über die Akkulösung kann man regelrecht zwischen die einzelnen Layer der Overdub-Produktion hören, die einzelnen Spuren in ihrer doch recht unterschiedlichen Qualität erleben, jede noch so kleine Abstandsveränderung zwischen Sänger und Mikrofon nachvollziehen. Dabei fällt nichts auseinander, über alle Einzelheiten wird informiert, das große Ganze dennoch zusammengehalten.
Ja, eigentlich geht es um die Musik. Und doch hat dieser kleine Ausflug auf die analoge Spielwiese wieder einmal gezeigt, wie viel Freude auch die Beschäftigung mit dem Wiedergabeequipment machen kann. Zumal die hier beschriebenen Spielzeuge in ihrem Wirken die Musik, ihren klanglichen Reichtum und ihren zeitlichen Zusammenhalt fest im Blick haben. Und das Stradivari V2 … das wird mir wohl über längere Zeit nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Wir meinen
Das Smart Power 24V ist nicht billig, erreicht in seiner Wirkung auf die Wiedergabe aber Komponentenstatus.
Info
Netzteil Clearaudio Smart Power 24V
Konzept: Akkunetzteil mit Ladeautomatik
Maße (B/H/T): 21/13/31 cm
Gewicht: 5,7 kg
Garantiezeit: 3 Jahre (ausgenommen Akku)
Preis: um 2500 €
Tonarm Clearaudio Universal 9″
Effektive Länge: 239,3 mm
Gewicht: 740 g
Effektive Masse: 20 g
Signalkabel: durchgehend Clearaudio Sixstream Super Wire (1,1 m) mit MPC-Cinchsteckern
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 4400 €
MC-Tonabnehmer Clearaudio Stradivari V2
Abtastnadel: Diamant mit Micro-HD-Schliff auf Bor-Nadelträger
Ausgangsspannung: 0,6 mV bei 5 cm/s
Abtastfähigkeit: 80 µm
Impedanz: 50 Ω
Gehäuseausführung: Ebenholz satiné (schwarz)
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 3200 €
Einstellschablone IEC
Besonderheiten: Anpassung an den bespielten Innenradius
Ausführung: Aluminium
Preis: um 240 €
Kontakt
Clearaudio electronic GmbH
Spardorfer Straße 150
91054 Erlangen
Telefon +49 9131 40300100
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
CD-Player: Mark Levinson No. 390s
DAC: Merging Technologies
Vollverstärker: Lavardin IT
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, FinkTeam Borg, Wilson Audio Sasha DAW, Sky-Audio 2.2 System
Kabel: Vovox, AudioQuest, Audio Note