Kaffeekunst und Treppentraining
Der freie Feier-Freitag am 3. Oktober bescherte den allermeisten Leuten ein langes Wochenende. Das sonnige Wetter war geradezu ideal für einen Spätsommerausflug. Die größte Volksbelustigung der Welt, das Münchner Oktoberfest, lag in den letzten Zügen. Wer wollte da schon eine HiFi-Show besuchen? In Bonn? – Antwort: erstaunlich viele!
Von Cai Brockmann und Ingo Schulz
Linzbach HiFi hatte bereits zum fünften Mal zu den Westdeutschen HiFi-Tagen ins Hotel Maritim geladen, und wie es sich gehört, war die Show auch in diesem Jahr noch größer, noch umfangreicher geworden. Knapp über 100 Aussteller zeigten und spielten, was das Zeug hält. Am Stand der FIDELITY konnten mitgebrachte Schallplatten von Martina Schöner kostenlos gewaschen werden – auf einer sehr schönen (und sehr leisen) Loricraft-Waschmaschine, begleitet vom faszinierenden Fachwissen der einzig wahren Schallplattenreinigungskoryphäe. Danke, Martina!
An den zahlreichen Ständen, die sich vom Foyer bis in die Säle im Erdgeschoss erstreckten, konnten die Besucher dann 28 große bis sehr große Räume und über 50 Hotelzimmer besuchen, die sich großzügig über insgesamt fünf Stockwerke verteilten. Wer dabei nicht unbedingt die gelegentlich bockigen und „interessant“ programmierten Aufzüge benutzen wollte, konnte sich bequem übers Treppenhaus bis in den fünften Stock hinaufschrauben. Und er wurde in keiner einzigen Etage enttäuscht.
Ganz im Gegenteil: Abgesehen von den immer wieder festzustellenden Versuchen, auch große Räume mit sehr kleinen Lautsprechern zu beschallen und dabei selbst stramme Verzerrungen geflissentlich zu ignorieren, gab es doch genug erfreuliche Vorführungen, die nicht nur den audiophilen Kenner nachhaltig beeindrucken konnten, sondern auch (wieder) Lust auf HiFi und Musikhören machten.
Hierbei sind uns übrigens ein paar „Exoten“ sehr angenehm aufgefallen, die mit teils höchst unkonventionellen Lösungen zum Verweilen animierten. Als Kandidaten für den „Best Sound of the Show“ empfahlen sich unter anderem Odeon Audio, deren komplett überarbeitete Nr. 32 an Röhren von New Audio Frontiers lief. Dank teils erfrischend „unaudiophiler“ Musikauswahl blieben wir auch gern ein bisschen länger bei Einstein Audio und Ridthaler (mit Voxativ-Chassis) sitzen, bei JaWil sorgte eine sehr bezahlbare Kette für unerwartetes Hörvergnügen. MiTec wiederum konnte uns insbesondere mit extremer Durchhörbarkeit überzeugen, sicherlich auch dank des mächtigen Verstärker-Schubs von Bryston. Apropos: Avitech, der Vertrieb von Bryston, hatte wie immer die besten Kaffeespezialitäten der gesamten Messe zu bieten, überraschte allerdings auch mit einem Profi-Kopfhörer von Phonon. Diese optisch und haptisch eher unauffällige Schallmütze aus Japan hinterließ (auch ohne Koffeineinwirkung) einen derart guten Klang- und Komforteindruck, dass FIDELITY sich alsbald damit beschäftigen wird. Und den Sonderpreis für die beste Herrenclubatmosphäre würden wir an MalValve vergeben: Nirgendwo sonst war das Musikerlebnis derart dunkel illuminiert, nirgendwo sonst lag ein kräftig-aromatischer Zigarrenduft in der Luft, und natürlich gab’s auch nirgendwo sonst die einzigartigen Kreationen des Dieter Mallach zu hören.
Über alles gesehen boten die Westdeutschen HiFi-Tage auch 2014 wieder reichlich Gelegenheit, sich mit hervorragender Musikwiedergabe das Wochenende zu verschönern. Und natürlich Pläne zu schmieden, wie es zu Hause weiter vorangeht.