Transrotor Rossini, der Kleine von Transrotor
Transrotor: Vom Schaufensterblickfang zum Rundum-glücklich-Paket ist’s manchmal nur ein kleiner Schritt – aber mit beachtlicher Schuhgröße!
Gibt es eigentlich irgendetwas, was noch nicht über Transrotor geschrieben wurde? Die Traditionsfirma für analoge Spezialitäten existiert seit 1971 und hat wohl alle Höhen und Tiefen des Marktes, aber auch die Einführung der CD und manch anderes „saisonale Ungemach“ überstanden. Transrotor aus dem Bergischen Land steht wie kein anderer Hersteller für High-End- Plattenspieler made in Germany. Und es gibt vermutlich keinen HiFi-Fan, der sich noch nicht die Nase an der Schaufensterscheibe platt gedrückt hat, wenn dahinter funkelnde Transrotoren zu sehen waren. Deren Optik war und ist durch die geschickte Kombination von polierten Metallteilen und Acryl-Elementen derart typisch, dass es eigentlich schon längst kein Namensschildchen mehr bräuchte.
Dreibeiner und Handaufleger
Die spezielle Transrotor-Faszination stellt sich auch beim aktuellen Einsteigermodell Rossini ein. Für die charakteristische Anmutung ist vor allem die Zarge verantwortlich, die aus einer rechteckigen, 25 Millimeter starken, satinierten Acrylplatte besteht. Der Rossini beansprucht zudem jede Menge Platz: Mit einer Breite von 52 und einer Tiefe von 35 Zentimetern passt er kaum auf ein Standard-Rack, ohne an den Seiten überzustehen. (Wer es lieber eine Nummer kleiner mag, kann auf den technisch identischen Transrotor Avorio 25/60 ausweichen, dessen tropfenförmiges Chassis deutlich weniger raumgreifend ausfällt.) Wie das Schwestermodell Avorio steht auch die Zarge des Rossini auf drei Stellfüßen, die durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit Untersetzern haben. Hierbei handelt es sich um polierte Aluminiumscheiben, in deren Unterseiten jeweils ein Silikonring und auf deren Oberseiten wiederum jeweils eine Silikonkugel eingelassen sind. Dadurch erzielt Transrotor ein Mindestmaß an Entkopplung des Laufwerks gegenüber Vibrationen „aus dem Untergrund“. Da die drei Aluscheiben nicht fest mit der Zarge verbunden sind, können sie in gewissen Grenzen frei wählbar positioniert werden. Bei dieser Art der Aufstellung ist eine Höhenverstellbarkeit leider ausgeschlossen, weshalb eine waagerechte Stellfläche für den Rossini keine Option, sondern Pflicht ist.
Mir erscheint sinnvoll, aus den drei „Untersetzern“ ein gleichseitiges Dreieck zu bilden, über dessen Mittelpunkt das Tellerlager zu liegen kommt. Das Lager besteht aus einem Edelstahldorn, der in einer Messingbuchse auf einer gehärteten Stahlkugel läuft. Der 60 Millimeter starke und 10 Kilogramm schwere Teller aus einer hochglanzpolierten Aluminiumlegierung wird auf einen Kragen des Lagers aufgesetzt. Eine wellenähnliche Fräsung auf der Unterseite des Plattentellers soll dazu beitragen, dass dieser auch im aufgesetzten Zustand nicht zum Klingeln neigt – doch um das vollständig zu erreichen, muss auch die Tellerauflage aus weißem Acryl, eine Schallplatte sowie das Plattenteller-Gewicht aufgelegt werden. Letzteres sorgt für die notwendige Haftung zwischen Teller und Platte und wird als essenzieller Bestandteil dieses Plattenspielers serienmäßig mitgeliefert.
Eine seitliche Nut am Plattenteller führt den schwarzen Gummiriemen, der die Kraft des Synchronmotors überträgt. Der wiederum befindet sich in einer beachtlich schweren Dose, in der ein Inlett aus Messing für die notwendige Standfestigkeit sorgt. Durch die kreisförmige Aussparung hinten links in der Zarge ist der Stellplatz der Motordose eindeutig definiert. Selbstverständlich sollte der Motor keinen Kontakt mit der Acrylbasis haben, damit sich nicht etwa Vibrationen auf das Chassis übertragen. Allerdings ist der Rossini-Antrieb ohnehin einer von der ruhigen Sorte – zumindest beim „Handauflegen“ sind praktisch keine Vibrationen zu spüren. Auf der Motordose befindet sich der für Transrotor typische Taster, mit dem der Motor ein- beziehungsweise ausgeschaltet wird. Die Geschwindigkeitsumstellung zwischen 33 und 45 U/min erfolgt manuell, durch Umlegen des Riemens am Motorpulley. Ein kontrollierender Blick auf eine Stroboskopscheibe beweist, dass bereits die Standard-Stromversorgung ihre Sache sehr gut macht: Die Striche stehen wie die sprichwörtliche Eins. Das ist mitunter sogar bei sehr teuren Laufwerken nicht selbstverständlich. Rossini-Besitzer können übrigens zu einem späteren Zeitpunkt ein aufwendigeres Netzteil namens Konstant leicht selbst nachrüsten; dann erfolgt der Geschwindigkeitswechsel elektronisch.
Starker Arm mit Goldring
Zum Komplettpaket des Rossini gehört der populäre Tonarm Jelco SA-250, der für Transrotor in einer silberfarbenen Version angefertigt wird und hier TR 800-S heißt. Seine Montage erfolgt allerdings nicht mit dem Linn-ähnlichen Tonarmkragen, mit dem Jelco-Arme normalerweise ausgeliefert werden. Transrotor verpasst dem Tonarmschaft nämlich eine massive Hülle aus Aluminium, die wiederum in eine runde Basis aus gleichem Material gesteckt wird. Dort fixiert eine Madenschraube den Tonarm samt Hülle. Wird sie gelöst, lässt sich die Einstellung der korrekten Tonarmhöhe und damit des VTAs (Vertical Tracking Angle) leicht durchführen. Ebenfalls zum Kinderspiel gerät die Einstellung der Auflagekraft: Es ist immer wieder verblüffend, wie genau sich diese nur mit Hilfe der Skala auf dem Gegengewicht justieren lässt. Eine Tonarmwaage ist hier nicht unbedingt notwendig.
Andere Tonarme sind auf Transrotors Kleinstem allerdings nur dann willkommen, wenn sie von Jelco oder Rega stammen; selbst auf die weitverbreiteten SME-Tonarme muss ein Rossini-Besitzer verzichten. Aber das ist locker verschmerzbar, denn der silberfarbene TR 800-S passt nicht nur optisch einfach perfekt zum Laufwerk. Auf den ersten Blick keine ganz so glückliche Wahl scheint hingegen der im Komplettpaket enthaltene Tonabnehmer darzustellen. Beim Transrotor Uccello handelt es sich um ein altbekanntes Goldring G-1006 mit elliptischer Nadel. Gut, dass sich Transrotor für die Gehäusevariante mit integrierten Gewinden entschlossen hat, denn gerade bei den MM (Moving Magnet)-Tonabnehmern des britischen Herstellers ermöglichen diese eine einfachere Justage. Aber das Uccello ist eigentlich für „mittelschwere“ Tonarme ausgelegt, zu denen der TR 800-S nun mal nicht gehört. Transrotor gibt die effektive Masse des Arms mit 20 Gramm an; meiner Erfahrung nach erscheint mir das etwas zu hoch, ich schätze ihn auf etwa 18, vielleicht sogar 16 Gramm.
Doch so oder so gehört er definitiv zu den schwereren Vertretern seiner Art. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass die laterale Resonanzfrequenz im Zusammenspiel mit dem Uccello außerhalb des allgemein als ideal angesehenen Bereichs (8 bis 12 Hz) bei ca. 6 Hertz liegt. Die vertikale Resonanz liegt eigentümlicherweise um 10 Hertz herum. Doch das lässt sich mit einer konstruktiven Besonderheit der Goldring-Tonabnehmer erklären: Sie besitzen für die beiden Richtungen deutlich unterschiedliche Nadelnachgiebigkeiten (lateral: 24 ?m/mN, vertikal: 16 ?m/mN), sodass sich die resultierenden Resonanzfrequenzen in beiden Raumrichtungen nicht überlagern. Genau deshalb reagiert das Uccello offenbar unkritisch auf die Fehlanpassung bezüglich der effektiven Masse des Tonarms.
Tutti Completti
Die Mehrzahl der Käufer eines Rossini, so verrät Dirk Räke, Sohn des Firmengründers Jochen Räke, entscheidet sich für das Komplettpaket mit dem Uccello. Das hat neben einem durchaus beachtlichen Preisvorteil den praktischen Nutzen, dass der komplette Spieler bereits fix und fertig montiert – und vor allem auch korrekt justiert – geliefert wird: Außer der Aufstellung sowie der Einstellung von Auflage- und Antiskatingkraft bleibt dem frischgebackenen Besitzer nicht viel mehr zu tun, als seine Plattensammlung zu durchforsten.
Allerdings sollte er dem Tonabnehmer schon ein paar Scheiben zum Einspielen gönnen. Denn unmittelbar nach dem Auspacken klingt der Plattenspieler noch etwas bassscheu, zugleich in den Höhen arg präsent. Das Uccello schafft anfangs auch „nur“ 60 ?m beim Abtasttest, was für einen weich aufgehängten MM-Tonabnehmer eher wenig ist. Doch das ist nach einem Dutzend LPs kein Thema mehr: Quasi als Hintergrundberieselung lege ich Neuerwerbungen aus diversen Beutezügen in Secondhand-Läden auf, die bis dato noch ungehört neben meiner Plattenwaschmaschine stehen. Und als dann Aaron Coplands Dritte Sinfonie (Bernstein, New York Philharmonic, Deutsche Grammophon) beim vierten Satz ist, werde ich aufmerksam. Die Pauken und die große Trommel, die in der dort versteckten „Fanfare For The Common Man“ zum Einsatz kommen, besitzen eine Wucht und Präzision, wie ich sie dem „kleinen“ Transrotor anfangs gar nicht zugetraut hätte. Nebenbei hat sich auch die Abtastfähigkeit deutlich verbessert: Ohne irgendeine Einstellung verändert zu haben, tastet das Uccello nun auch 70 ?m sauber ab. Ich muss auch zugeben, dass mir ein derart deutlicher Einspieleffekt bisher noch nicht untergekommen ist: Das Klangbild von Coplands Sinfonie ist nun tonal erheblich ausgewogener und sehr schön in der Stereobreite differenziert. Zwar lassen die Tiefendarstellung und die akustische „Größe“ einzelner Instrumente mitunter noch den Wunsch nach Mehr aufkommen, doch das wird mit der überraschenden Unmittelbarkeit des Klangbilds mehr als wettgemacht.
Bleiben wir noch ein bisschen bei meinen Schallplatten- Neuerwerbungen. Darunter befindet sich auch die Aufnahme Ummagumma (EMI) von Pink Floyd, die aus einem Live- und einem Studioteil besteht. Für Letzteren spielte jedes der damals vier Bandmitglieder von Pink Floyd ein Solostück ein. Bassist Roger Waters lieferte mit „Grantchester Meadows“ eine Folkballade ab, die im Vergleich zu den anderen, teilweise doch recht abgefahrenen Stücken beinahe schon etwas kitschig wirken würde – wäre da nicht diese nervige Stubenfliege, die am Ende des Titels nach mehreren Fehlschlägen (im wahrsten Sinne des Wortes) ihr gerechtes Ende findet. Das alles kommt über den Rossini so direkt rüber, dass man glaubt, im Aufnahmeraum zu sitzen.
Live und direkt
Könnte es mit dieser Präsenz auch zu viel des Guten werden? – Ja, wenn man Schallplatten auflegt, die mit einer ohnehin schon vordergründigen Klangbalance aufwarten. Die LP Belonging (ECM) ist so ein Fall. Pianistenlegende Keith Jarrett komponierte die Stücke und spielte sie zusammen mit seinen nicht minder berühmten Kollegen Jan Garbarek (Saxophon), Palle Danielsson (Bass) und Jon Christensen (Schlagzeug) ein. Und insbesondere der Klang von Garbareks Saxophon kann über die Transrotor-Kombi schon mal „über die Stränge“ schlagen. Das scheint mir eher eine Eigenschaft der Tonarm-System-Kombination zu sein: Testweise auf dem Raven montiert, zeigt sie dort einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so ausgeprägten Effekt. Angesichts des doch recht schlichten Abtasters ist das eine durchaus verschmerzbare, weil einfach zu lösende Angelegenheit. So möchte ich als mögliche Alternativen tendenziell „warm“ abgestimmte Tonabnehmer empfehlen, die mit dem Transrotor-Jelco-Gespann gut harmonieren, etwa die verschiedenen Varianten des Denon DL-103, ein Dynavector DV-20X2 oder auch das Shelter 301 II.
Gleichwohl halte ich das Uccello für eine gute Wahl. Es bereitet durch seine direkte, präsente Gangart sehr viel Vergnügen, auch und gerade bei ganz normalen Schallplatten. Und das bekomme ich in dieser Ausprägung mit den oben genannten Tonabnehmern wiederum nicht hin.
Ab und zu kommt mir zu Ohren, dass Transrotor-Plattenspieler angeblich „nicht klingen“. Das können wohl nur Leute behaupten, die beispielsweise den (eingespielten) Rossini nicht selbst gehört haben. Zudem steht es völlig außerhalb jeder Diskussion, dass der Rossini gut aussieht und noch besser verarbeitet ist. Und berücksichtigt man außerdem den hervorragenden Transrotor- Service, darf man die 2800 Euro für das Komplettpaket aus Transrotor Rossini plus TR 800-S plus Uccello fast schon ein Schnäppchen nennen.