Kultiviert und treffsicher
AudioQuests William Tell Zero Lautsprecherkabel trifft stets den richtigen Tonfall
Der von Friedrich Schiller verewigte Freiheitskämpfer Wilhelm Tell konnte es einfach. Er traf, als es darauf ankam, den Apfel und nicht den Kopf. Das gleichnamige beziehungsweise mit dem anglisierten Namen „William Tell“ benannte Lautsprecherkabel aus AudioQuests „Folk Heroes“-Serie hat diese Schweizer Präzision quasi geerbt. Es verbindet akribische Fokussierung und tonale Eleganz, obwohl es definitiv nicht von Eidgenossen nach dem Rütli-Schwur gefertigt wird.
Ich bin Kabelfreak, das gebe ich gern zu. Auch wenn es immer noch Unbelehrbare im Lande gibt, die sich zutiefst überzeugt davon geben, dass ein Beipack-Klingeldraht ebenso tönt wie eine highendige Kupfer-Boa. Die Realität sieht erfahrungsgemäß ganz anders aus. Der Unterschied zwischen guten und schlechten Kabeln ist unmittelbar spür- und erlebbar. Etwa so, als sei zwischen Hörplatz und Schallwandler eine mehr oder weniger dicke Lage Vorhang oder anderer Dämmstoff installiert.
Folk Hero statt Mythical Creature
Nun machte ich es dem William Tell, für das in der üblichen zweimal drei Meter-Konfektionierung knapp 3550 Euro aufgerufen werden, nicht all zu leicht. Tun doch in meiner heimischen Anlage, die derzeit amerikanisch grundiert, aber beileibe nicht „All American“ ist, zurzeit sehr ordentliche, niederkapazitive Kabel der US-Manufaktur Morrow Audio ihren Dienst. Nicht die Top-of-the-Line-Kabel des Portfolios, aber auch nicht die Einsteigermodelle. Sondern eben gehobene Mittelklasse oder untere Spitzenklasse, die auch AudioQuests William Tell grundsätzlich anpeilt.
Über der Folk Hero Series, in der es neben dem William Tell Zero auch noch ein Kabel namens „Robin Hood“ gibt, thront nämlich die „Mythical Creatures Series“ als Premium-Serie der Kabelmacher von AudioQuest. Die Zusatzbezeichnung „Zero“ weist darauf hin, dass es sich beim Testexemplar um die normale Ausführung für Single-Wiring handelt. Will man Bi-Wiring machen, zum Beispiel, weil die Lautsprecher sowieso dafür vorbereitet sind, dann kann man noch ein „William Tell Bass“ dazukaufen, dass, wie sein Name schon sagt, für die tiefen Frequenzen zuständig ist.
Der Nationalheld ist gut formiert
Schon in seiner Basis-Version verfügt das AudioQuest William Tell über ein für diese Lautsprecherkabel typisches Feature: Neben anderen Kerntechnologien verfügt das Kabel über ein für den Hersteller typisches Feature: Ein batteriebetriebenes Zusatzkästchen formiert die Isolation. Die wirkt, so erklären es die verantwortlichen AudioQuest-Entwickler Bill Low und Garth Powell, als Dielektrikum und kann – sich selbst überlassen – einiges Chaos anrichten: Vor allem beeinflusst sie den zeitlichen Zusammenhang oder exakter: die Phase der geleiteten Signale. Die Vorformierung mit einer Spannung von 72 Volt macht das elektromagnetische Verhalten der Isolation berechenbar, Phase und Timing der Musiksignale bleiben sprichwörtlich im Takt.
Hinzu kommt ein sehr sorgsam ausgewählter Materialmix. Kernkomponente der Kabel ist chemisch möglichst reines Kupfer. Die Amerikaner nennen das „Perfect-Surface copper“. Mit linearer Kristallstruktur, über das die Elektronen des Tonsignals in der Theorie besonders reibungslos fließen sollen. Nachdem das William Tell einen vergleichsweise breiten und flachen Querschnitt hat, kommt zudem ziemlich sicher eine niederkapazitive Anordnung der Leiter zur Anwendung. Das zieht erfahrungsgemäß gesteigerte Räumlichkeit nach sich. Wirbelströme und Störfrequenzen zu eliminieren, hat bei Kabeln noch nie geschadet.
William Tell musiziert überlegen
Im Test an meinen Infinity Kappa 7.2 Series II und an den nagelneu in den Pool aufgenommenen Monitor Audio 200 Gold erwies sich das AudioQuest William Tell Zero meinen Morrow-Strippen auf Anhieb deutlich überlegen. Die Abbildung von virtuellen Schallquellen wirkte definierter. In etwa so, als hätte ich bei meiner Kamera die Schärfe noch einmal genauer eingestellt. Zum akustischen Schärfeln neigt der Volksheld aber nicht, er geht auch und gerade mit den hohen Frequenzen sehr behutsam und kultiviert um, was das William Tell als bestens geeignet für Klassik im Allgemeinen und Oper im Besonderen erscheinen lässt. Verzerrungen bei hohen Sopran-Koloraturen gibt es nicht.
Und auch, wer es geerdeter, bodenständiger, mit mehr Schub „von unten heraus“ mag, weil er Rock und Blues liebt oder auf druckvollen Fusion-Jazz steht, kommt beim AudioQuest William Tell Zero auf seine Kosten. Der Grundeindruck massiv gesteigerter Abbildungspräzision bleibt übrigens quer durch die musikalischen Genres gleich. Das Kabel tut das, was nur die höchstklassigen Vertreter seiner Gattung beherrschen: Es tritt vollkommen hinter die Musik zurück.
Ungemein weite Räume
Wie gut der highendige Folk Hero sein Handwerk beherrscht, wird allerdings erst deutlich, wenn er wieder weg ist. Eben noch entstofflichte die Musik noch die Wände meines Hörraums. Plötzlich sind die vorher so ungemein weiten Räume wieder kürzer und schmaler. Renee Fleming singt ihre Händel-Arien nicht mehr ganz so lieblich. Billie Eilishs unverwechselbare Stimme löst sich nicht mehr annähernd so perfekt aus dem Wust elektronischer Effekte. Fazit: Ich will den Helden zurück!
Wir meinen …
Das AudioQuest „William Tell“ muss in der Lautsprecher-Kabelklasse bis 4000 Euro kaum Konkurrenz fürchten. Daher ist der Volksheld auch jenseits dieser Schallmauer vielen seiner Kontrahenten um die entscheidende Pfeillänge voraus.
Technische Daten
Konzept: AudioQuest „William Tell Zero“ Vollbereichs-Lautsprecherkabel, mit „William Tell Bass“ zum Bi-Wiringkabel erweiterbar. Erhältlich unter anderem in zweimal drei und zweimal fünf Meter, mit Bananensteckern oder Kabelschuhen in Kupfer oder Silber kaltverschweißt konfektioniert. Leitermaterial ist Kupfer von hohem Reinheitsgrad.
Besonderheiten: Aktive formierung des Kabels mit 72 Volt per batteriegespeistem Korrekturkästchen zur Vermeidung von Störschwingungen zwischen Verstärker und Schallwandler.
Preis: um 3550 Euro (2 x 3 Meter)